Am Samstag, den 19. Dezember, der zum Feiertag erklärt worden war, fanden die Wahlen für den Legislativ-Yüan statt. Es war das erste Mal in der Geschichte der Republik China, daß die Bürger Taiwans das gesamte Parlament neu wählten; in der Vergangenheit war nur über die freigewordenen Sitze von ausscheidenden Abgeordneten, welche schon seit 1948 ihren Abgeordnetensitz innehatten, durch freie Wahlen entschieden worden. In den Tagen vor dem wichtigen Datum warben annähernd 350 Kandidaten um die Gunst der Wähler, und Werbeplakate, über Lautsprecher verbreitete Reden, Aktionsstände, Wahlversammlungen sowie Wahlsendungen und Werbung im Fernsehen gehörten zum alltäglichen Geschehen. Die regierende Kuomintang hatte 125 Kandidaten aufgestellt, die oppositionelle Demokratische Progressive Partei 59, daneben gab es 42 Bewerber anderer Parteien sowie 122 Unabhängige. Die Wahlbeteiligung von 72 Prozent am Stichtag zeigte, daß Taiwans Bürger sich ihrer politischen Mitverantwortung bewußt sind; fast 9,7 Millionen Wahlberechtigte gaben ihre Stimme ab und legten die Zusammensetzung des Legislativ-Yüan fest, welcher aus 161 Sitzen und für eine Periode von drei Jahren besteht. Dafür wurden 125 regionale Abgeordnete durch Personenwahlen in den 29 Wahlbezirken ermittelt sowie 30 nationale Abgeordnetensitze und 6 Sitze für Vertreter der Überseechinesen entsprechend der Prozentzahl der Gesamtwählerstimmen für die Parteien vergeben.
Die KMT konnte ihre Mehrheit behaupten, wenn auch 53 Prozent der Gesamtstimmen ein enttäuschendes Ergebnis darstellten. Sie gewann dadurch 103 Sitze in der gesetzgebenden Versammlung: 73 regionale Sitze einschließlich der sieben unabhängig von der Partei kandidierenden Mitglieder, 19 nationale und 4 Plätze für Repräsentanten der Überseechinesen wurden erzielt. Die Oppositionspartei DPP, welche insbesondere sozialpolitische Reformen in den Mittelpunkt ihrer Wahlkampagne gerückt hatte, konnte zum ersten Mal die 30-Prozent-Hürde überwinden. Sie erreichte 31 Prozent und stellt nunmehr 50 Abgeordnete, wovon 37 in den regionalen Wahlbezirken ermittelt wurden und 11 beziehungsweise 2 auf die nationalen und Überseechinesen-Sitze entfielen. Dritte Parteien konnten weniger als 2 Prozent der Gesamtstimmen für sich verbuchen und aufgrund der 5-Prozent-Klausel keinen der nationalen Sitze erringen. Daraus zeigt sich, daß es sich um ein Rennen zwischen der KMT und der DPP gehandelt hat, während andere Parteien kaum Beachtung der Wählerschaft fanden. Nur Ju Gau-jeng, Vorsitzender der Chinesischen Sozialdemokratischen Partei, erhielt einen der regionalen Sitze. Von den unabhängig und parteilos Kandidierenden zogen sieben ins Parlament ein. Der neu gewählte Legislativ-Yüan wird am 1. Februar seine neue Amtsperiode beginnen.
Aus Anlaß einer Beschwerde des Oppositionskandidaten der DPP, Huang Hsin-chieh, der mit nur 62 Stimmen gegen seinen Wahlgegner von der KMT im Landkreis Hualien verlor, wurde in den betroffenen dreizehn Wahlbezirken eine erneute Zählung durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, daß bei der ersten Zählung 738 mehr Wahlzettel ausgewertet worden waren als tatsächlich Wähler zur Urne gegangen sind. Im Landkreis Hualien wurden zwei Sitze vergeben, von denen der erste an den mit 46 527 Stimmen gewählten KMT-Kandidaten Hsieh Sheng-shan und der zweite an seinen Parteigenossen Wei Mu-tsun mit 26 667 Stimmen ging. Das Gericht in Hualien hat eine Untersuchung eingeleitet und begann am 6. Januar die festgenommenen Wahlbeamten zu verhören. Wie oder wann Neuwahlen in diesem Bezirk durchgeführt werden sollen, ist noch nicht entschieden worden.
Carla Hills besucht Taiwan in Handelsfragen
Als Meilenstein wurde der Besuch der amerikanischen Handelsrepräsentantin Carla Hills vom 30. November bis 3. Dezember 1992 in der hiesigen Presse bezeichnet. Sie war das erste amerikanische Kabinettsmitglied, welches auf Taiwan weilte, seit die Vereinigten Staaten Ende 1978 die diplomatischen Beziehungen zur Republik China abbrachen. Ihr Besuch folgte einer Einladung der privaten Wirtschaftsräte der Republik China und der Vereinigten Staaten, welche zur sechzehnten gemeinsamen Jahreskonferenz in Taipei zusammentrafen. In ihrer Rede auf der Eröffnungsveranstaltung am 2. Dezember erklärte Frau Hills, daß es das Ziel der USA sei, Handelsbarrieren abzubauen und Märkte zu öffnen. Sie hoffe auf Hilfe und Unterstützung von seiten der Republik China auf Taiwan. Hills sprach sich für den geplanten Handels- und Investitionsvertrag zwischen den beiden Staaten aus, bei dessen Unterzeichnung sie jedoch nicht beteiligt sein wird. Der Sprecher im hiesigen Außenhandelsministerium sagte, daß es noch der ausführlichen Besprechung und Durchsicht des Entwurfes bedarf, den die Amerikaner erst eine Woche zuvor vorgelegt hatten. Darin wird die Liberalisierung des Handels, die Abschaffung von Schutzzöllen und der Schutz des Urheberrechts betont. Der Vertrag würde die Institutionalisierung der wirtschaftlichen Beziehungen in einem gemeinsamen formalen Handelsrat bedeuten und könnte zu einem bilateralen Handelsabkommen zwischen Taiwan und den Vereinigten Staaten führen.
Bei einer Zusammenkunft mit der Spezialgruppe zum Schutz von Urheberrechten unter Leitung von Wirtschaftsminister Siew äußerte Frau Hills, daß es für Taiwan besonders wichtig sei, den Schutz des Urheberrechts zu garantieren, da Taiwan anstrebe, Handels- und Finanzzentrum im asiatisch-pazifischen Raum mit immer hochwertigeren und konkurrenzfähigeren Produkten zu werden.
Bei dem am 2. Dezember stattfindenden Treffen zwischen Frau Hills und Präsident Lee Teng-hui sprach dieser sich für mehr Technologietransfer, Kooperation und gemeinsame Ausschöpfung des asiatischen Marktes aus. Er versicherte außerdem, daß die kürzlich von Washington an die Republik verkauften Fl6-Kampfflugzeuge nur für Verteidigungszwecke bestimmt seien. Weitere Gespräche und Treffen führten die amerikanische Abgeordnete mit Premierminister Hau Pei-tsun, Außenminister Fredrick Chien, dem Minister für Transport und Verkehr Eugene Chien, Finanzminister Pai Pei-ying und anderen Kabinettsmitgliedern zusammen.
Frau Hills, die während ihres Besuchs vor allem die Bedeutung des Abbaus von Handelsbarrieren betonte, erklärte, daß Taiwans GATT-Beitritt ein notwendiger Schritt sei, den ihre Regierung unterstütze und der sowohl Vorteile wie auch Verpflichtungen für die Republik mit sich bringen werde. Im Gespräch mit Beamten des Landwirtschaftsministeriums drängte sie auf eine Senkung der Importtarife Taiwans für bestimmte Landwirtschaftsprodukte. Nach einer Besichtigung der Ausstellung zum Sechsjahres-Entwicklungsplan äußerte sie, daß amerikanische Firmen technisch überlegen und bereit seien, sich für die Mitarbeit an den Projekten zu bewerben. Vor allem sei man an einer Beteiligung am Bau der Atomkraftwerke, der Hochgeschwindigkeitsbahn und den Klärwerken interessiert und könne auch den gewünschten Technologietransfer anbieten. Sie hoffe auf eine faire Behandlung von Antragstellern aus ihrem Land.
Während ihres Besuchs hat Frau Hills prinzipiell der Unterzeichnung eines ihr am 1. Dezember vorgelegten Memorandums zugestimmt. Darin bittet die Republik China Washington, keine Handelssanktionen gegen Taiwan wegen der Verwendung von fluorchlorkohlenwasserstoffen zu erheben. Entsprechend dem Protokoll von Montreal sollen ozonzerstörende FCKW von industrialisierten Ländern ab Beginn 1994 und von Entwicklungsländern ab 2004 durch andere Substanzen ersetzt werden. Taiwan, das nicht zu den Unterzeichnern des Vertrags gehört, da es kein Mitglied der Vereinten Nationen ist, werde sich an den Zeitplan des Protokolls halten und Fluorchlorkohlenwasserstoffe bis 1996 durch andere Substanzen ersetzen, versicherte Wirtschaftsminister Vincent Siew. Die Regierung hofft, daß die Unterzeichnung des Memorandums durch die Vereinigten Staaten als Beispiel für andere Handelspartner dienen und die Republik China vor Boykotten durch Umweltschutzgruppen sowie Sanktionen schützen kann.
Vertreter des Rates für Festlandsangelegenheiten auf diplomatischer Europareise
Im Rahmen einer 14tägigen Reise, die nach München, Berlin, Leipzig, Düsseldorf, Bonn, Straßburg, Budapest und Brüssel führte, stellte der stellvertretende Vorsitzende des Rates für Festlandsangelegenheiten des Exekutiv-Yüan, Dr. Ma Ying-jeou, letztes Jahr in mehreren Vorträgen die Beziehungen der Republik China mit dem chinesischen Festland dar. Daß hiemit die Festlandpolitik Taipeis bei diplomatischen Bemühungen zum Thema gemacht wurde, ist eine neue Entwicklung. Am 16. November sprach Dr. Ma zu diesem Thema in der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität und am 23. November in der Universität zu Leipzig. Auf Einladung der christlichsozialen Hanns-Seidel-Stiftung wohnte er dem "Franz Josef Strauß Symposium 1992 - 14. Internationale Konferenz über Politik und Strategien" in München bei und gab dort am 17. November ein Referat mit dem Titel "Regionale Stabilität in Ostasien: die Tragweite der Beziehungen zwischen Taipei und Peking". Es war dies das erste Mal, daß die CSU einen Regierungsvertreter der Republik China zu ihrem jährlichen Treffen willkommen hieß, bei dem üblicherweise hochrangige Mitglieder der deutschen Regierung, ausländische Diplomaten sowie Wirtschaftsvertreter präsent sind. Des weiteren sprach Dr. Ma am 18. November vor dem Europaparlament der EG in Straßburg in einer 40minütigen Rede über die Festlandpolitik Taipeis und die zwischen chinesischen Beziehungen. Tags darauf erörterte er das Thema vor einer Versammlung des NATO-Rates.
In seinen Ausführungen ging er auf die Situation Ostasiens nach dem Kalten Krieg ein und diskutierte die politische Stabilität im asiatischen Raum, auf die eine friedliche und demokratische Wiedervereinigung Chinas positiven Einfluß haben würde. Er sagte, daß Taiwan seine Taktik gegenüber Festlandchina geändert habe: In der Vergangenheit hätte man Kontakte abgeblockt, doch nun sei man zu einer Politik des Engagements übergegangen, um Festlandchina durch einen direkten Austausch zwischen den Menschen zu beeinflussen. Aufgrund der Gleichheit von Sprache, kulturellem Erbe und Herkunft sei die Republik China auf Taiwan wie keine andere Macht in der Lage, politische Veränderungen auf dem Festland zu erreichen. Taiwan könne seine Erfahrungen bezüglich wirtschaftlicher wie politischer Reformen weitergeben und übe außerdem für die andere Seite der Taiwanstraße durch das Radio die Funktion einer Informationsquelle aus. Die Festlandpolitik der Regierung führte er anhand der 1991 festgelegten "Leitlinien zur nationalen Wiedervereinigung" aus, welche eine graduelle Annäherung in drei Phasen - kurz-, mittel- und langfristige Phase - vorsehen. Taipeis grundsätzliche Haltung zum kommunistischen Festland wurde als "ein China, zwei Gebiete, zwei politische Einheiten" definiert, wobei die Regierungen in Peking wie in Taipei neutral als "politische Einheiten" bezeichnet werden. Dr. Ma äußerte sich auch zu den Beziehungen zwischen Taiwan und Europa, um die sich sein Land in den vergangenen fünf Jahren erfolgreich bemüht habe; der gegenseitige Handel sei stark angestiegen, auf beiden Seiten seien viele Vertretungen eingerichtet worden, und angelockt durch die Beteiligungsmöglichkeiten an den Projekten des Nationalen Sechsjahres-Plans sei eine Reihe von hohen Politikern u. a. aus Frankreich, Deutschland und Italien zu offiziellen Besuchen nach Taiwan gekommen. Nun böten sich noch weitere Ausblicke: Aus Taiwans erfolgreich florierender Handels- und Investitionspolitik mit Festlandchina könnten auch europäische Firmen Nutzen ziehen, indem sie nämlich ihr Engagement in Taiwan verstärkten und dadurch eine gute Ausgangsbasis für Operationen auf dem Festland gewinnen.
Die Vortragsaktivitäten verknüpfte der chinesische Gesandte mit einer Reihe von Treffen mit Repräsentanten internationaler Organisationen. So empfing ihn am 18. November der Generalsekretär des Europarats Gaetano Adinolfi in Straßburg, tags darauf in Brüssel traf er den Leiter der Abteilung für Wirtschaft in der NATO, Rupp; am 23. November besuchte er den Rektor der Leipziger Universität Prof. Dr. Cornelius Weiss und kam am 25. November mit der parlamentarischen Freundschaftsgruppe Bonn-Taipei zusammen; weiterhin traf er Beamte des Belgischen Außenministeriums.
Seine Rückkehr nach Taiwan erfolgte am 27. November. Dr. Ma reiste bereits mehrere Male nach Deutschland und erwarb sich Kenntnisse über die Situation nach der deutschen Wiedervereinigung.
Deutsche Hochgeschwindigkeitsbahn möchte Taiwans Verkehrsproblem lösen
Es wäre schon fein, wenn man die 350 Kilometer von Taipei im Norden nach Kaohsiung im Süden statt in viereinhalb Stunden Zugfahrt in nur 80 Minuten zurücklegen könnte! Genau das verspricht ein Zusammenschluß deutscher Großunternehmen, die Taiwan ein ausgearbeitetes Projekt für einen Hochgeschwindigkeitszug anbieten. Das Deutsche Hochgeschwindigkeitskonsortium, bei dem die gesamte deutsche im Bahnbau tätige Firmenschaft unter der Leitung von AEG Westinghouse Transport-Systeme GmbH kooperiert, bemüht sich mit seinem Inter-City Express (ICE) im Rahmen des laufenden Sechsjahres-Entwicklungsplanes der Republik China - mit japanischen und französischen Hochgeschwindigkeitsprojekten als starken Konkurrenten - um den Auftrag zum Bau einer im Westen Taiwans verlaufenden Hochgeschwindigkeitsbahn. Die Entscheidung zwischen den drei Bewerbern wird dieses Jahr fallen, und, sollte sie dem deutschen Konsortium günstig sein, diesem schätzungsweise 13 Milliarden US$ eintragen. Dazu erfolgte am 17. November eine vom Deutschen Wirtschaftsbüro in Taipei organisierte Vorstellung des ausgearbeiteten Projekts, bei der Repräsentanten der Mitgliedsfirmen des Konsortiums jeweils über Teilbereiche des großen Technologievorhabens referierten. Als Ehrengast war der Verkehrsminister der Republik China, Eugene Chien, zugegen, der in seiner Willkommensrede den auf sechs Jahre angelegten Modernisierungsplan darstellte und den darin enthaltenen Transportbereich näher ausführte. Die besondere Aufmerksamkeit des zahlreich erschienenen chinesischen Firmenpublikums galt der Anwesenheit und Stellungnahme von Edzard Reuter, dem Vorsitzenden des größten deutschen Industriekonzerns Daimler-Benz, der schilderte, wie in einer geänderten Umwelt und unter geänderten Bedingungen sich auch das Transportwesen eine neue Philosophie und neue Strategien aneignen sollte; in der Folge ging er auf die Entwicklung integrierter Transportsysteme ein, bei denen die Verbindung von Straße und Bahn eine wesentliche Rolle spiele.
Als Vertreter der deutschen Regierung, die dem Bahnprojekt ihre volle Unterstützung verleiht, stand Ministerialrat Dr. Siegfried Böttcher am Redepult und betonte, daß der supplementäre Charakter der deutschen und der Wirtschaft Taiwans von Vorteil für die ökonomische Zusammenarbeit sei. Weiterhin anwesend waren Prof. Dr. Klaus Milz, Präsident der AEG Westinghouse Transport-Systeme GmbH; Theo Rahn, Vizepräsident des Entwicklungszentrums der Deutschen Bundesbahn in München und Geschäftsführer der Deutschen Eisenbahn-Consult; Dr. Christian Günther, Direktor der Systemtechnik bei der AEG Westinghouse GmbH und Sprecher des Konsortiums auf Taiwan; Wolfram Martinsen, Geschäftsführer der Siemens Verkehrstechnik; Eberhard Beyer, Geschäftsführer von ABB Henschel Verkehrstechnik; und Walter Görlitz, Geschäftsführer von Krauss-Maffei Verkehrstechnik. Wie die Vertreter des Konsortiums betonten, gehe es bei dem Projekt nicht bloß darum, einige Jahre lang deutsche Bahntechnik in Taiwan zu installieren. Vielmehr solle sowohl in der Bauphase wie auch bei der Betreibung der Bahn zugleich mit der Technologie auch die Verantwortung den Fachleuten Taiwans übertragen werden, was aber ein spezielles Training in Deutschland und Zusammenarbeit auf Jahrzehnte hinaus voraussetze. Der chinesischen Industrie ständen breite Möglichkeiten zur partnerschaftlichen Beteiligung durch den vom Hochgeschwindigkeitskonsortium intendierten "Schulterschluß" offen. So sagte auch Verkehrsminister Chien, es liege im Sinne seines Ministeriums, "nicht ein Einzelprojekt anzukaufen, sondern weitergehende Kooperation zu erwerben". Das deutsche Konsortium sehe weitere Möglichkeiten zu einer engen Zusammenarbeit nach dem Schnellbahnprojekt, ließ Edzard Reuter wissen, und interessiere sich für zukünftige Projekte in Taiwan und auf anderen Märkten, wie dem chinesischen Festland. Die größtenteils staatseigene Taiwan Aerospace Corporation (TAC) unter ihrem Vorsitzenden Earle Ho plant bereits eine Beiteiligung großen Ausmaßes in den Bereichen Systemtechnik, Systemintegrierung und Testverfahren, und außerdem will sie nach Inbetriebnahme des Hochgeschwindigkeitszuges für die Instandhaltung sorgen. Alles in allem, so meinten Vertreter der TAC, gleiche der superschnelle Zug ja doch eher einem Flugzeug als einer konventionellen Eisenbahn.
Als Vorzüge des ICE gegenüber seinen Konkurrenten wiesen die deutschen Vertreter auf den niedrigen Geräuschpegel, auf den hohen Passagierkomfort im Tunnel durch geringe Druckbelastung und auf die niedrigeren Betreibungskosten hin. Daß die zur Anwendung kommende moderne Technologie auf dem letzten Stand sei, war ein weiteres Argument. Der ICE ist ein bereits erprobtes System, plädierte das deutsche Konsortium und verwies auf dessen Integriertheit in das bundesweite Transportnetz. Des weiteren wurde die vom Deutschen Hochgeschwindigkeitskonsortium mit spanischer Beteiligung gebaute ICE-Linie von Madrid nach Sevilla als erfolgreiches Beispiel vorgestellt. Die Einrichtung einer Hochgeschwindigkeitslinie zwischen Taipei und Kaohsiung werde revolutionäre Auswirkungen auf die Struktur Westtaiwans haben und zum Rückgrat des Transportsystems auf Taiwan werden, sagten die deutschen Projektplaner voraus.
Im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen haben für ein anderes Projekt, nämlich den Bau einer teilweise unterirdisch verlaufenden Schnellstadtbahn in Taipei, bisher drei deutsche Firmen Aufträge erhalten. Die Stadtbahn wird in 4 Hauptlinien mit der Gesamtlänge von 88 km geführt werden und soll die Verbindung zwischen Taipeis Zentrum und den umliegenden Satellitenstädten verbessern. Es wird auch erwartet, daß sie der Entwicklung des Ostteils der Stadt Aufschwung verleiht. - Die Baufirma Bilsinger + Berger aus Mannheim erlangte gemeinsam mit ihrem chinesischen Joint-venture-Partner Eastern den 752-Millionen-US$-Auftrag zum Bau der 5,4 km langen Chungho-Linie, eines Trassenabschnitts des neuen Verkehrsmittels. Mit der Bahnstromversorgung der sogenannten "roten Linie" von Tamsui nach Hsintien wurde die Siemens GmbH betraut, deren Auftrag in der Höhe von zirka 84 Millionen US$ liegt. Als dritte deutsche Firma führt die Dortmunder Züblin AG ein Projekt im Gebiet des Spezialtunnelbaus aus, das sich nach den Angaben des Amtes für Schnellbahn-Verkehrstechnik (Department of Rapid Transit Systems, DORTS) auf etwa 140 Millionen ÜS$ beläuft.
Weiterhin auf Taiwan engagiert ist die bayrische Bauer Spezialtiefbau GmbH, die Maschinen wie Dichtwandfräsen und Drehbohrgeräte aus deutscher Produktion hier vertreibt und auch in der Projektplanung und Beratung tätig ist. Der weiche und nachgiebige Boden in Taipei - an Stelle der heutigen Stadt soll sich einmal ein See befunden haben - bereitet den Bautechnikern beim U-Bahnbau, insbesondere beim Ausschachten, immer wieder Schwierigkeiten, welche die deutsche Spezialbaufirma zu lösen mithilft. Daneben betätigen sich im Umweltschutzbereich, wo sich auf Taiwan unzählige Aufgaben stellen, ebenfalls bereits deutsche Techniker: Die Frankfurter Lurgi AG arbeitet an der Konstruktion von Anlagen für die Abgasentgiftung und Abwasserklärung mit, während der TÜV Essen Far East (eine Tochterfirma des Rheinisch-Westfälischen Technischen Überwachungs-Vereins) ein Kontrollsystem für Autoabgase einzuführen beauftragt wurde.
Berlin als internationales Wirtschaftszentrum vorgestellt
"Berlin ist der ideale Ort für Ihre Investition, jetzt und nach 1992." Unter diesem Motto hieß der Bürgermeister der Stadt und Senatsvorsitzende des Landes Berlin, Eberhard Diepgen, Taiwans Investoren auf einer vom Deutschen Wirtschaftsbüro in Taipei veranstalteten Präsentation am 20. November 1992 willkommen. In seinem Plädoyer für verstärktes ausländisches Wirtschaftsengagement wurde er vom Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Berlin GmbH, Dr. Peter Weichhardt, unterstützt.
Bürgermeister Diepgen zeichnete den zahlreich erschienenen Zuhörern ein Bild von der veränderten Lage Berlin nach der deutschen Wiedervereinigung als zukunftsorientierte Hauptstadt im Zentrum Europas und als größten, im Aufschwung begriffenen Industrieballraum zwischen Paris und Moskau. Zu den Vorzügen Berlins - und des Landes Brandenburg mit seiner Hauptstadt Potsdam - zählten eine "Arbeiterschaft, die sowohl ihre Hände als auch ihren Kopf benutzen kann", das Vorhandensein von zahlreichen Forschungsinstitutionen und deren Kooperation mit der Industrie, die günstige Verkehrslage mit den "nebenan" liegenden Absatzmärkten im Osten Europas (allen voran Polen, die Tschechei, die Slowakei und Ungarn) sowie die Verfügbarkeit von Land für den Bau neuer Firmengebäude und Produktionsstätten. Einige bedeutende internationale Großkonzerne sind bereits in Berlin ansässig; als besonders hochentwickelt gelten Laserindustrie, Biochemie und Aerotechnik. Investoren in den neuen Bundesländern und im ehemaligen Ostberlin würden besondere finanzielle Förderungen gewährt, berichtete der Bürgermeister und nannte als herausragendste Beispiele steuerfreie Investitionszuschüsse im Mindestausmaß von 8 Prozent der Gesamtinvestition und Darlehen mit dem niedrigen Zinssatz von 1 bis 1,5 Prozent.
Wer sich als Investor in Berlin engagiere, der sei automatisch mitten in der Europäischen Gemeinschaft und genieße alle Vorteile des 1993 in Kraft tretenden Europäischen Wirtschaftsraumes mit seiner 385 Millionen starken Bevölkerung, betonte Dr. Weichhardt. Er wies die Zuhörer auf infrastrukturverbessernde Zukunftsprojekte von Stadt und Land Berlin hin. So seien die erstrebte Abhaltung der Olympischen Spiele 2000 in Berlin, der Umzug der deutschen Regierung von Bonn nach Berlin sowie der Bau eines neuen Flughafens und die Ansiedlung eines modernen Industrie-, Forschungs- und Technologieparks in Berlin/Adlershof ein Impetus für die Wirtschaft und bildeten zugleich Argumente für die Vorhersage, Berlin habe in den kommenden zehn Jahren ein BSP-Wachstum von 10 bis 15 Prozent zu erwarten. Die Realisierung all dieser Großvorhaben ist aber kaum denkbar ohne die Beteiligung internationaler Wirtschaftskräfte.
Daß Taiwans Industrie die Bedeutung Berlins bereits erkannt hat, zeigt neben der Präsenz von 119 chinesischen Firmen 1992 auch die für Februar 1993 geplante Eröffnung eines Büros des Außenhandelsrates der Republik China, das den ersten Schritt zum Aufbau eines projektierten Taiwan-Handelszentrums in Berlin darstellen wird. Der für dieses Jahr erwartete Direktflug Taipei-Berlin soll zusätzlich zur Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen beitragen. Die Wirtschaftsförderung Berlin GmbH hofft, Investoren aus Taiwan für das Engagement im Ostteil der deutschen Hauptstadt zu gewinnen und steht den Geschäftsleuten beratend zur Seite. Welche Produkte sind denn nun gefragt auf dem osteuropäischen Markt? Es seien zuerst einmal Konsumgüter, an denen hoher Bedarf besteht, meinte Dr. Weichhardt, aber elektronische Geräte seien ebenso sehr begehrt. Unterschiede zwischen dem West- und dem Ostteil Berlins bestünden trotz der Wiedervereinigung noch einige, und zwar hinsichtlich des Lohnniveaus, der Rente und Sozialversicherung, Miete und in bezug auf die Infrastruktur der Stadt. Der an den neuen Bundesländern interessierte Investor kann sich an die Liegenschaftsgesellschaft der Treuhandanstalt mbH, welcher die Privatisierung der ehemaligen staatseigenen Betriebe anvertraut ist, wenden, um einen solchen Betrieb zu erwerben. Da bisher die südostasiatische Wirtschaft keine nennenswerte Beteiligung gezeigt hat, hofft man, daß die Übernahme des größten Fernsehgeräte-Herstellers durch einen koreanischen Konzern signalgebend sein möge. Andererseits steht auch die Möglichkeit zur Beteiligung an Joint-venture-Betrieben offen, was nach den Erfahrungen Dr. Weichhardts den Wirtschaftskräften Taiwans bisher mehr entsprochen hat und wozu er auch verstärkt raten würde.
"Was hat Hamburg Investoren aus Taiwan anzubieten?"
Diese Frage beantwortete der Projektdirektor der Hamburgischen Gesellschaft für Wirtschaftsförderung mbH, Bernd Riegerl, am 16. November 1992 während einer Präsentation im Welthandelszentrum in Taipei. Nach seinen Worten ist Hamburg das Außenhandelszentrum Deutschlands mit der höchsten Anzahl von Import- und Exportfirmen in Europa und verfügt über den größten deutschen Hafen und zweitgrößten europäischen Containerhafen, einen internationalen Flughafen, Deutschlands größten Güterbahnhof und volle Integration in das europäische Autobahnnetz. Ein weiterer Vorteil sei die Lage der nördlichen Metropole: Eine Stunde vom ehemaligen "Eisernen Vorhang" entfernt, sei Hamburg die ideale Basis für Geschäftsentwicklung und -beziehungen im Osten. Fast die gesamte Schiffsfracht aus Asien, die für den osteuropäischen Markt bestimmt ist, wird in Hamburg gelöscht. Zur Zeit sind in Hamburg das "Taipei Wirtschafts- und Kulturbüro", das "Taipei Handelsbüro", ein Presse- und Informationsamt der Regierung sowie 50 Firmen aus der Republik China präsent.
Die gemeinnützige Hamburgische Gesellschaft für Wirtschaftsförderung, kurz HWF, hilft internationalen Gesellschaften vor, während und nach einer Neuansiedlung auf Hamburger Boden. Ihr Leistungs- und Servicepaket umfaßt:
- Versorgung mit allgemeinen, essentiellen Informationen
- Herstellung von Geschäftskontakten mit Käufern, Lieferanten oder Partnern
- Vermittlung und Vorstellung von Beratern, Dienstleistungsstellen und Behörden sowie Hilfe bei Werbung, Messeplanung und alltäglichen Problemen
- Beratung und Hilfe bei Visaformalitäten
- Immobilienservice
- kostenlose Bürofläche für neue Firmen für eine Dauer von sechs Monaten als sogenannte "Hamburg-Probierangebot"
- Dienste für Warenlagerung und Verteilung
- Betreuung des osteuropäischen Handels durch die Osteuropa-Abteilung der HWF in Hamburg sowie durch vier neueröffnete Büros in St. Petersburg, Prag, Riga und Vilnius
Diese Leistungen der HWF sind kostenlos. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben arbeitet sie mit ihren Partnern, dem Hamburger Wirtschaftsministerium und zwölf in Hamburg ansässigen Banken, zusammen. Kontakt zur HWF kann entweder durch das Hauptbüro in Hamburg oder durch die HWF-Vertretung auf Taiwan, das Deutsche Wirtschaftsbüro Taipei, hergestellt werden.
Gruppe aus Rußland knüpft Geschäftskontakte
Eine kontaktbegierige Delegation russischer Geschäftsleute erreichte am 15. November 1992 an Bord des Passagierschiffes "Rus" den Hafen Keelung im Nordosten Taiwans. Die Gruppe von 237 Russen, die sich fast ausschließlich aus Inhabern kleinerer und mittlerer Geschäfte, aus Bankern sowie Rundfunk- und Fernsehdirektoren zusammensetzte, besichtigte bei ihrem zweitägigen Aufenthalt auch das Nationale Palastmuseum. Als Hauptprogramm aber erfolgte am Nachmittag des 16. November ein vom "Mitteleuropäischen Wirtschaftsverband der Republik China" (Central European Business Association, CEBA) organisiertes Treffen mit über hundert chinesischen Geschäftsleuten, nach deren Auskunft sich die Russen als äußerst kauffreudig erwiesen. Die Osteuropäer zeigten sich beeindruckt von der Agressivität und Effizienz, mit der ihre Gegenüber an die Geschäfte herangingen. Bei der an Bord des russischen Schiffes stattfindenden Veranstaltung führten die Vertreter beider Länder erstmals direkte Geschäftsverhandlungen unter anderem auf den Gebieten Baumaterial, Papierindustrie, Erdöl, Jade, Computer und Textilien; die russischen Textil-Industriellen hatten dazu auch eine kleine Produktausstellung zusammengestellt.
In Anbetracht der beiderseitig hohen Geschäftsbereitschaft wurden als große verbleibende Schwierigkeit die Handelsmethoden genannt. Der Informationsfluß zwischen Rußland und der Republik China funktioniere noch nicht glatt, und bisher hätten sich erst für einen kleinen Teil der interessierten Wirtschaftstreibenden Handels- oder Kooperationsprojekte ergeben; darunter befinden sich Pläne zum Import von Wodka, Handtüchern und Stoffen nach Taiwan. Für die Zukunft seien jedoch größere Erfolge zu erwarten, besonders wenn die russische Seite ihre Probleme der ungenügenden Rohstoffversorgung und des Mangels an Devisenkapital lösen könnte, konstatierte CEBA und deutete darauf hin, daß sich in diesem Falle der Handel über Drittländer verringern würde. Ein fördernder Faktor für die gegenseitigen Beziehungen ist jedenfalls die Eröffnung eines Büros in Moskau durch den Außenhandelsrat der Republik China im vergangenen Jahr.
Schweizer Delegation zu Besuch
Nach fast 40 Jahren traf am 8. November 1992 erstmals eine offizielle 18köpfige Schweizer Delegation auf Taiwan ein. Unter den Mitgliedern befanden sich Topmanager aus der Maschinen-, Energie-, Pharma- und Lebensmittelindustrie wie auch vom Banken-, Handels-, Erziehungs- und Transportsektor. Sie wurde angeführt vom Staatssekretär im Schweizer Wirtschaftsministerium, Franz Blankart und dem Vorsitzenden der Wirtschaftsföderation, Pierre Borgeaud. Im Mittelpunkt des viertägigen Besuches standen die Bemühungen um eine engere Zusammenarbeit mit der Republik China sowie Beteiligung an Projekten des Nationalen Sechsjahres-Entwicklungsplans. Spezielles Interesse galt dabei der Liberalisierung des Dienstleistungssektors, wo sich eidgenössische Unternehmen besonders gern beteiligen würden. Bei dem dreitägigen Besuch wurde auch gleichzeitig das 10jährige Jubiläum des Schweizer Handelsbüros in Taipei (Trade Office of Swiss Industries, TOSI) gefeiert.
Premierminister Hau Pei-tsun erklärte bei dem Zusammentreffen mit dem Schweizer Staatssekretär am 9. 11., daß alle freundlich gesinnten Nationen, einschließlich der Schweiz, willkommen seien, sich am Sechsjahresplan zu beteiligen. Blankart äußerte Erwartungen, daß die gegenseitigen Beziehungen nach Taiwans GATT-Beitritt enger würden. Da die Länder sich gegenseitig mit ihren Produkten ergänzten und beide vom Außenhandel abhängig seien, biete sich viel Raum für eine engere Kooperation. Bis jetzt sind über 40 helvetische Firmen auf Taiwan ansässig mit einer Investitionssumme, die 100 Millionen US$ übersteigt; zirka 500 weitere Firmen werden durch lokale Firmen oder Importeure repräsentiert.
Das Gesamthandelsvolumen zwischen den beiden Ländern stieg von 1982 bis 1991 fast um das Vierfache an. Laut Schweizer Statistik beliefen sich die Exporte aus der Eidgenossenschaft in die Republik China auf 510 Millionen US$ in den ersten neun Monaten 1992, während Importe aus Taiwan im gleichen Zeitraum 375 Millionen US$ ausmachten. Taiwan ist der drittwichtigste Handelspartner in Ostasien für das Alpenland und gleichzeitig ist die Schweiz Taiwans wichtigster europäischer Käufer außerhalb der EG. In der Vergangenheit machten Maschinen für die Textilherstellung 30% der Schweizer Exporte nach Taiwan aus. Aber durch das rapide Wirtschaftswachstum in der Republik China hätte sich das eidgenössische Produktangebot verbreitert und bestände mittlerweile zu 50% aus Investitionsgütern wie Maschinen für die Textil- und die metallverarbeitende Industrie, Ausrüstung für Klimaanlagen, Grafikgeräte, Maschinen für die Lebensmittelverarbeitung und -verpackung sowie für die chemische Industrie und Medikamentenherstellung. Durch die wachsende Kaufkraft der Bevölkerung auf Taiwan haben daneben Konsumartikel, vor allem die berühmten Schweizer Uhren, an Bedeutung gewonnen. Auf der anderen Seite exportiert Taiwan vornehmlich Komponenten und Teile von PCs, elektrische Produkte sowie Fahrräder in die Eidgenosenschaft.
Wirtschaftsminister Siew drückte die Hoffnung aus, daß die Schweiz und die Republik China verstärkt bei der Entwicklung im Bereich der Hochtechnologie, Medizin und Bio-Petrochemie zusammenarbeiten können. Während des Gesprächs mit Blankart versprach er, Schweizer Urheberrechte besser zu schützen, nachdem Blankart Bedenken über den unzulänglichen Schutz von ausländischen Urheberrechten durch die Regierung Taiwans geäußert hatte.
Regierung weist Anschuldigungen von Umweltschützern zurück
Im November und Dezember vergangenen Jahres klagten Tier- und Umweltschutzvereinigungen Großbritanniens und der USA an, Taiwan gehöre zu den Ländern mit dem höchsten Konsum von Rhinozeroshorn. Die Organisationen zitierten Daten, nach denen sich noch fünf bis zehn Tonnen Rhinozeroshorn in den Händen der Händler auf Taiwan befinden sollten. Diese Angaben beruhten nicht auf wissenschaftlicher Untersuchung, stellte der Landwirtschaftsrat der Republik China fest und meinte, Umweltschutzgruppen auf Taiwan seien entsetzt, daß solche Daten zur Verurteilung eines Landes verwendet würden. Es sei unvorstellbar und unannehmbar, wenn Großbritannien einen Handelsboykott gegen Taiwan einsetzen würde, da das Vereinigte Königreich im Besitz eines sehr fortschrittlichen Rechtssystems sei.
Mitte November 1992 initiierte die Umweltschutzvereinigung EIA (Environmental Investigation Agency) in Großbritannien eine Kampagne gegen den Handel Taiwans mit Wildtieren und forderte Boykottmaßnahmen. Ein im Fernsehen gezeigtes Video sowie der Slogan "Made in Die-wan" suggerierten Taiwans Verwicklung in das Töten von Wildtieren. Vertreter der ausländischen Umweltschützer weilten zur Diskussion der Thematik in der Republik China, wobei sich Rosalind Reeve von EIA am agressivsten zeigte und forderte, Taiwan solle Entschädigungszahlungen für die getöteten Nashörner leisten. Jorgen Thomsen, Leiter der britischen Organisation TRAFFIC (Trade Record Analysis of Flora and Fauna in Commerce International), räumte hingegen ein, er sei sicher, daß Premierminister Hau Pei-tsun mit aller Kraft den Schutz von Wildtieren unterstütze; zudem habe er selbst in einer Woche Aufenthalts bereits feststellen können, daß Taiwan den Artenschutz besser betreibe als Südkorea oder Festlandchina. Thomsen appellierte gleichzeitig für die Ausarbeitung langfristiger Pläne zum Wildtierschutz und rief die Bevölkerung auf, sich über dieses Problem Kenntnis anzueignen.
Während der letzten zwanzig Jahre ging der Bestand der verschiedenen Nashornarten um 85 Prozent zurück. Es ist vielfach das begehrte Nasenhorn, das den Tieren zum Verhängnis gereicht und das früher in pulverisierter Form auch als Arzneibestandteil in der traditionellen chinesischen Heilkunst Verwendung fand. Doch seien diese Zeiten längst vorüber, verlauteten medizinische Vereinigungen hierzuorten im Protest gegen die Anklagen der Umweltschützer. Die mit der Problematik betrauten Regierungsorgane der Republik China, der Landwirtschaftsrat (Council of Agriculture) und das Gesundheitsamt (Department of Health) wiesen die Beschuldigungen ebenfalls zurück. In einer Stellungnahme des Landwirtschaftsrates wird betont, Taiwan kümmere sich sehr wohl um das Schicksal vom Aussterben bedrohter Tierarten und habe als einzige Nation in Asien strikte Maßnahmen gegen das Jagen, Schmuggeln und den illegalen Handel mit solchen Tieren getroffen; internationale Tierschutzorganisationen sollten deshalb die diesbezüglichen Bemühungen der hiesigen Regierung unterstützen.
Zur Kontrolle des Handels mit Rhinozeroshörnern wurden folgende wesentliche Vorkehrungen und Maßnahmen getroffen:
1.- Am 16. August 1985 kündigte das Außenhandelsamt strenge Kontrollen der Ein- und Ausfuhr von Rhinozeroshorn und anderen Nashornprodukten an.
2.- Am 23. Juni 1989 und 31. März 1990 wurde das Wildtierschutzgesetz mit seinen Verordnungen verabschiedet und verlautet, nachdem der illegale Import, Export, Handel, Tausch, die Verarbeitung sowie der Versuch zum Verkauf oder zum Anbieten von Rhinozeroshorn unter Strafe steht.
3.- Am 4. August 1989 erklärte der Landwirtschaftsrat die fünf existierenden Nashornarten als vom Aussterben bedroht und listete sie im Wildtierschutzgesetz auf.
4.- Am 11. und 12. Februar 1992 veranstaltete der Landwirtschaftsrat ein Seminar über Maßnahmen in der Nashornfrage, um die Regierung bei der Überwachung von in Taiwan befindlichem Hornmaterial zu unterstützen.
5.- Am 31. August 1990 verkündete der oben genannte Rat, daß der Besitz von Rhinozeroshorn oder daraus gewonnenem Pulver nach Artikel 4 des Wildtierschutzgesetzes bzw. Abschnitt 29 der beistehenden Verordnungen amtlich eingetragen werden muß und die Unterlassung der Eintragung nach dem revidierten Wildtierschutzgesetz künftig unter Strafe steht. Insgesamt wurden etwa 1470 Kilogramm Rhinozeroshorn registriert.
6.- Am 30. Januar 1991 beschlagnahmten die Zollbehörden Taipei sieben Rhinozeroshörner. Diese wurden im Hafen von Keelung öffentlich verbrannt.
7.- Am 5. Oktober 1991 beschlagnahmten die Zollbehörden Taipei und Kaohsiung fünfzehn Hörner. Diese wurden in Tamsui öffentlich verbrannt.
8.- Am 28. Februar 1992 beschlagnahmten die Zollbehörden Taipei 20 Hörner, die in Kaohsiung öffentlich verbrannt wurden. Unter Einrechnung einiger weiterer von den Zollbehörden Keelung im Januar und Oktober 1991 entdeckten Hörnern belief sich die Masse der vernichteten Rhinozeroshörner insgesamt auf etwa 67 Kilogramm. - Weiterhin wurden am 10. Dezember 1992 auf dem Internationalen Chiang-Kai-shek-Flughafen 2000 Kilogramm Rhinozeroshörner und Hirschgeweihe beschlagnahmt; acht des Schmuggelns verdächtigte Personen wurden festgenommen und die Tierteile öffentlich verbrannt.
Weiterhin begann der Landwirtschaftsrat mit der Ausarbeitung eines "Grundgesetzes für Artenschutz", das Maßnahmen zur Bewahrung von Sümpfen, Wildtieren und -pflanzen regeln wird und dessen Entwurf nach Angaben des Rates im Jahre 1993 fertiggestellt werde.
Das Informationsamt der Regierung drückte in einer Erklärung Mißfallen über die Verbreitung von nicht objektiven Informationen aus, die zur Schädigung des Ansehens und guten Rufes der Republik China führen. Die Regierung schließe nicht die Möglichkeit aus, sich an ausländische Gerichte zu wenden, um mit Hilfe von Gesetzen ihre Würde und Rechte zu schützen und zu verteidigen, hieß es weiter.
Regulierung des Treibnetzfischfangs
Auf einer Pressekonferenz am 8. Dezember vergangenen Jahres legte das Landwirtschaftsministerium eine den Treibnetzfischfang betreffende Erklärung vor. Die Fischerei mit Treibnetzen war wegen der niedrigen Betriebskosten bei guter Ausbeute weltweit beliebt. Treibnetze sind eine Reihe von aneinandergeketteten Nylonnetzen, die einfach über Nacht mit Schwimmern und Gewichten versehen ins Wasser gehängt werden und in denen sich alles verfängt, was zu groß ist, um durch die Maschen zu schlüpfen. Diese Eigenschaft war der Grund für viele Umwelt- und Tierschutzorganisationen, Ende der achtziger Jahre Protestkampagnen gegen diese Fischereimethode zu starten. Beobachtungen ergaben, daß viele Meeressäuger sich in den Netzen verfingen und verendeten sowie das ökologische Gleichgewicht durch die nicht selektive Fangart gefährdet war. Schließlich nahmen sich die Vereinten Nationen des Problems an und erließen am 20. Dezember 1991 die Resolution Nr. 46/215, in der alle Länder aufgefordert wurden, den Fischfang mit Treibnetzen vor dem 30. Juni 1992 um 50 Prozent zu reduzieren sowie bis zum 31.12.1992 vollständig zu stoppen. (Siehe dazu auch "Freies China", Sept/Okt 1992)
In Anpassung an diese Resolution hat die Regierung auf Taiwan folgende Regelungen erlassen:
1992 war die Zahl von Treibnetzfischdampfern, die im Nordpazifik fischen durften, auf 64 (die Hälfte der 1991 erlaubten Boote) und der im Indischen Ozean auf 31 (nur ein Drittel von 1991) reduziert worden. Am 11. November 1992 erfolgte der Ausspruch eines Verbots über jeglichen Einsatz von Treibnetzdampfern mit Gültigkeit vom 1. Januar 1993 an.
Zur Durchsetzung hat die Regierung der Republik China seit Juli 1990 nachstehende Vorgehensweisen ergriffen:
1. Unterstützung der Fischereiindustrie - Abkauf von Teibnetzfangschiffen zu einem Preis von 480 US$ pro Bruttoregistertonne oder maximal 200 000 US$ pro Schiff
- Kredite von 200 000 US$ zu einem Vorzugszinssatz von 5,25 Prozent zur Umrüstung von Fangbooten, die nicht älter als 15 Jahre sind
- Umschreibung von Bauerlaubnissen für Treibnetzdampfer in Thunfischdampfer von mindestens 1000 BRT vor dem 31.12.1992
- Bereitstellung von Mitteln zur Förderung des Makrelen-, Thun- und Tintenfischkonsums
2. Bestimmungen über den Fischfang - Seit dem 11. November 1992 darf kein Fangschiff mit Treibnetzausstattung einen Hafen verlassen, noch wird solchen Dampfern das Einlaufen in einen Hafen erlaubt.
- Die 31 im Indischen Ozean operierenden Treibnetzdampfer mußten vor Ende Dezember 1992 ihre Fangzüge beenden und unverzüglich in ihren Heimathafen zurückkehren. Wenn sie ihre Fangmethode umstellen wollten, waren sie verpflichtet, sich entweder im Hafen von Singapur oder Cape Town (Südafrika) zur Überprüfung durch die dortigen Fischereibehörden zu melden.
- Jene 64 Treibnetzdampfer, die 1992 noch im Nordpazifik auf Fischfang gehen durften, mußten sich vor dem 15. Dezember zur Überprüfung zurück in ihren Hafen begeben.
Die Goldenen Pferde galoppieren wieder
Die Cineasten kamen Ende vergangenen Jahres in Taiwan auf ihre Kosten: Beim "Golden Horse Film Festival" 1992 wurden an die 90 Filme vorgeführt. Die Veranstaltung, die auf eine 11jährige Geschichte zurückblicken kann und zu einer festen Einrichtung geworden ist (siehe auch "Freies China" Sept/Okt 1991), fand vom 21. November bis 11. Dezember 1992 in Taipei statt.
Im Mittelpunkt der internationalen Filmwoche standen fünf Hauptthemen:
- Filme für Kinder, mit Beiträgen aus Rußland (The Scarlet Flower von Wladimir Grammatikow), Deutschland (Elefant im Krankenhaus von Karola Hattop), Kanada (The Clean Machine von Jean Beaudry) und Schweden (Charlie Strapp & Froggy Ball Flying High von Jan Gissberg).
- Mit dem "Spanischen Karneval" wollten die Veranstalter an Hand von spanischen Filmen wie High Heels von Pedro Almodovar, Carmen von Carlos Saura, The Heifer von Luis Garcia Berlanga oder The Beehive von Mario Camus sowie von sechs weiteren Filmemachern die sozialen und kulturellen Aspekte des Landes aus der Perspektive von Regisseuren, welche die spanische Filmgeschichte nachhaltig beeinflußt haben, vorstellen.
- Unter dem Motto "Liebe in den Zeiten von AIDS" drehte sich alles um die Frage, ob und wie man angesichts der allseits präsenten Bedrohung durch die Immunschwäche überhaupt noch lieben kann. In der Dokumentation Voices from the Front wurden AIDS-Aktivismus sowie Debatten und Kontroversen zu diesem Thema dokumentiert, während Filme wie Wieland Specks Zimmer 303 (Deutschland 1990) oder Together Alone des amerikanischen Regisseurs P.J. Castellaneta und Relax von Chris Newby (Großbritannien 1990) die Aidsproblematik aufgriffen und ausführten. Unter diese Sparte fiel auch eine Reihe von Filmen über Homosexualität, welche versuchen, den sozialen und psychologischen Hintergrund zu erklären. Deutsche Beiträge kamen von Monika Treut, Die Jungfrauenmaschine, sowie Percy Adlon mit seiner Deutschland-Alaska-Koproduktion Salmonberries.
- "The Ever-lasting Legends - in Erinnerung der Verstorbenen" war der Titel, unter dem verstorbenen Filmgrößen, zum Beispiel der französischen Schauspielerin Arletty, dem Sänger und Schauspieler Yves Montand sowie dem indischen Regisseur Satyajit Ray, gedacht wurde. Dabei kam auch der deutsche Star Marlene Dietrich als Der blaue Engel und in dem Portrait Marlene sowie der deutsche Regisseur Rainer Werner Fassbinder mit seinem Mammutwerk Berlin Alexanderplatz zur Geltung.
Es gab einen weiteren Höhepunkt: Unter dem Titel "Regisseure im Brennpunkt", wurde mit jeweils sieben Filmen des japanischen Regisseurs Nagisa Oshima und des US-Amerikaners Jim Jarmusch ein Überblick über das Schaffen dieser zeitgenössischen Filmemacher präsentiert. Und schließlich wurden unter dem Titel "Panorama" Filme unterschiedlichster Thematik, von Regisseuren aus verschiedenen Ländern, vorgeführt, darunter Streifen aus Europa, Rußland, dem Iran, Südkorea, Japan, den USA, Kanada, Australien und Afrika. Deutschsprachige Beiträge waren Verriegelte Zeit von Sibylle Schönemann, in dem die Regisseurin versucht, ihre Verhaftung in der ehemaligen DDR 1985 und die Gründe dafür zu rekonstruieren; Der nächtliche Besucher von Konrad Sabrautzky sowie Ilona und Kurti von dem Österreicher Reinhard Schwabenitzky. Des weiteren wurde der Trickfilm Die Kreuzung des Kölners Raimund Krumme vorgeführt.
Im Anschluß an die ausländische Woche folgte vom 5. bis 11. Dezember das Chinesische Filmfest, bei dem sechs der für den Filmpreis 1992 nominierten Filme gezeigt wurden. Das waren The Hill of Silence von Wang Tung, The Noblest Way to Die von Chou Tan, The Peach Blossom Land von Stan Lai, To Liv von Evans Chan, Justice, My Foot von Tu Chi-feng und Police Story III: Super Cop von Stanley Tong. Daneben gedachte man anläßlich des zwanzigsten Todestags des berühmten Kung-fu Helden Bruce Lee mit seinen Filmen Fist of Fury, The Way of Dragon und The Big Boss. Rasant und spannend ging es in der Schwertkampf-Kategorie zu, in der zwölf Filmklassiker gezeigt wurden, die den Machern der Kampfkunst-Filme Tribut zollten.
Der Generaldirektor des Filmfestivals Lee You-ning sagte, daß die große Zahl von jährlich circa 100 000 enthusiastischen und anspruchsvollen Zuschauern bei dem Filmfest die Entleiher, welche ins Ausland reisten, um Filme für Taiwan einzukaufen, nachhaltig beeinflußt hätte. Die Aufmerksamkeit sei von den gängigen "Sex und Gewalt"-Streifen abgewendet und auf sozial und kulturell anspruchsvolle Filme gerichtet worden. Lee, der sich als begeisterter Anhänger der Filmkunst bezeichnet, war sicher, daß die Filme dieses Festivals einen starken Eindruck auf die jungen Kinoliebhaber machen würden. Die gezeigten Filme seien anspruchsvoll und würden den Zuschauern einen Blick in die Welt erlauben und dadurch das Interesse und die Begeisterung an Kinofilmen als interkulturelles und -soziales Verständigungsmittel steigern.
Der abschließende Höhepunkt war die 29. Verleihung der "Goldenen Pferde" am Abend des 12. Dezember in der Sun-Yat-sen-Gedenkhalle. Mit der jährlichen Wahl ehrt man die besten chinesischsprachigen Produktionen aus Hongkong und Taiwan. Fünf Preise für "besten Film", "beste Regie", "bestes Drehbuch", "beste Ausstattung" und "beste Kostüme" heimste Wang Tung's Film The Hill of Silence ein, der von einer kleinen Goldgräberstadt auf Taiwan in den zwanziger Jahren (zur Zeit der japanischen Besetzung) handelt. Der Preis für den besten Schauspieler ging an den "Superpolizisten" aus Hongkong, Jackie Chan, in dem aktionsgeladenen Streifen Police Story III: Super Cop, welcher sämtliche Kassenrekorde auf Taiwan brach und über 100 Millionen NT$ (4 Millionen US$) einspielte. Chang Yao-tseng und Chang Chia-hui wurden für ihre Arbeit an dem gleichen Film außerdem mit dem Preis für "besten Schnitt" geehrt. Die Hongkonger Schauspielerinnen Lindzay Chan und Josephine Ku erhielten den Preis für "beste Hauptdarstellerin" beziehungsweise "beste Nebendarstellerin" für ihr Auftreten in dem Film To Liv aus der britischen Kronkolonie, der sich mit den Zukunftsängsten der dortigen Bewohner befaßt. Der in The Peach Blossom Land auftretende einheimische Komödiant Ku Pao-ming konnte den Preis für den besten Nebendarsteller entgegennehmen. Außerdem erhielt die Produktion den Preis für "bestes angewandtes Drehbuch". Der "Preis für beste Regie bei Kampfkunstfilmen" wurde dieses Jahr zum ersten Mal verliehen und ging an Chen Hsiao-tung und Yuan Ping, für die ausgezeichneten Stuntszenen in dem Schwertkampffilm The Dragon Inn. Des weiteren gingen die Preise für "beste Kameraführung" an Lee Teh-chen (Misty), für "beste Musik" an Huang Chun-shu (Rebels of the Neon God), für "beste Titelmelodie" an Wu Chun-lin und Chen Shih-chieh (Dust of Angels) sowie für "beste Aufnahme" an Tu Tu-chieh und Yang Ching-an (Dust of Angels).
Um die Situation und Zukunft der Filmindustrie auf Taiwan drehte es sich bei der vom Informationsamt der Regierung veranstalteten "Nationalen Filmkonferenz" am 7. und 8. Dezember in Taipei. Neben Hunderten von Filmemachern, Schauspielern und Filmexperten von Taiwan und Hongkong nahmen auch Vertreter des hiesigen Wirtschaftsentwicklungsbüros, des Finanz- sowie des Wirtschaftsministeriums daran teil und suchten gemeinsam nach Lösungen für die Probleme der lokalen Filmindustrie. Laut Statistiken des Informationsamts ist die Zahl der Kinos hierzulande in den vergangenen zehn Jahren von 736 auf 382 gefallen, und die vor rund vierzig Jahren eingerichteten drei Produktionsstudios sind die einzigen geblieben. Die auf der Konferenz vorgeschlagenen Maßnahmen beinhalteten unter anderem die Bekämpfung des Raubkopierens von Videobändern, Steuersenkungen und andere Vergünstigungen für einheimische Filmemacher, Bereitstellung besserer Produktionseinrichtungen sowie die Förderung von lokalen Talenten. Daneben wurde eine einjährige Kinofilm-Kampagne mit Beginn im Januar 1993 geplant, für welche die Regierung 6 Millionen US$ bereitstellt. Damit soll beim Publikum größere Begeisterung für einheimische Filmproduktionen geweckt werden.
Gelegenheit, ein kinematographisches Werk aus Taiwan zu sehen, werden die Zuschauer beim diesjährigen Internationalen Filmfestival in Berlin haben. Der Film des Regisseurs Ang Lee Das Hochzeitsbankett, wird sich nämlich als der erste Film Taiwans bei einem Filmfest außerhalb Asiens mit Produktionen anderer Länder messen. Das Hochzeitsbankett ist die Geschichte eines homosexuellen Taiwanesen, der in den Staaten mit seinem Freund zusammenlebt, jedoch seinen Eltern zuliebe beschließt, eine junge chinesische Künstlerin zu heiraten. Der Film beschreibt die witzigen bis tragischen Verwicklungen und Ereignisse, die sich ergeben, als seine Eltern tatsächlich zur Ausrichtung der Hochzeit aus Taiwan nach New York kommen. Regisseur Lee wird nebst vielen Mitgliedern seines Teams bei dem Filmfest in Berlin, welches am 10. Februar beginnt, anwesend sein.
Feuer am "Jadeberg"
In der Nacht vom 6. auf den 7. Januar brach ein Feuer im Nationalpark am Yushan, zu deutsch sinngemäß "Jadeberg", in Zentraltaiwan aus. Der Yushan stellt mit 3950 m Taiwans höchsten Gipfel dar und erhielt seinen Namen wegen der winterlichen Schneekuppe. Das Feuer, welches auf Brandstiftung zurückgeführt wurde, brach an verschiedenen Stellen gleichzeitig aus und konnte erst sechs Tage später vollständig gelöscht werden. Die Brandbekämpfung unter Einsatz von über 150 Feuerwehrleuten wurde durch das steile, unwegsame Gelände, die extreme Lufttrockenheit in über 2000 m Höhe, ausbleibenden Regen sowie mehrere Brandherde erschwert. Hubschrauber, die Wasser über dem Brand versprühen sollten, standen bereit, konnten aber aufgrund des dichten Rauchs und starker Windböen nicht eingesetzt werden. Durch den Großbrand wurden insgesamt 115 Hektar Wald sowie der Bergwanderweg vom Yushan nach Chiayi zerstört, welcher für geübte und ausdauernde Wanderer eine beliebte Route darstellte. Der Brand wurde als das größte Naturunglück bezeichnet, das jemals den Yushan-Nationalpark getroffen hat. Der Rat für Landwirtschaft (Council of Agriculture) hat während eines am 12. Januar stattgefundenen Treffens mit der Parkverwaltung, der Bau- und Planungsverwaltung sowie der Forstverwaltung sofortige Wiederaufforstungsmaßnahmen für das Gebiet beschlossen.
Ein Deutscher in China
Johann Adam Schall von Bell S. J., dessen chinesischer Name T'ang Jo-wang lautete, wurde in Köln geboren und trat 1611 dem Jesuitenorden in Rom bei. Dort studierte er das astronomische System des Galileo, bis man ihn 1622, zur Zeit der Ming-Dynastie, als Missionar nach China sandte. Neun Jahre später wurde er ins Amt für Astrologie am Hof des Kaisers berufen, wo er westliche Werke über die Wissenschaften ins Chinesische übersetzte. Neben Verfolgung seiner religiösen Mission reformierte Schall das chinesische Kalendersystem und schrieb Abhandlungen über Astronomie. In den Jahren 1629 bis 1634 übersetzte Schall unter Aufsicht des chinesischen Astronomen Hsu Kuangchi mehr als 140 Werke über die Stern- und Himmelskunde, die unter dem Titel "Das Ch'ung-Chen-Buch der Astronomie" zusammengefaßt wurden. Der Buchname wurde später in "Neue westliche Kalenderberechnungen" umgeändert. Pater Schall machte sich sowohl am kaiserlichen Hof als auch für die katholische Kirche verdient; 1645 stieg er zum "kaiserlichen Direktor der Astronomie" auf, und 1655 ernannte man ihn zum Oberrat der Katholischen Kirche in China.
44 Jahre verbrachte Adam Schall, den man "ehrwürdiger Vater" und "der ehrliche und verläßliche Minister" nannte, in China. Er starb am 15. August 1666 in Peking. Pater Schall von Bell hat sich nicht nur als großer Theologe und Astronom in der chinesischen Geschichtsschreibung einen Namen gemacht, sondern auch als ein Mann, der durch sein Schaffen eine Brücke zwischen der traditionellen chinesischen Kultur und der modernen westlichen Wissenschaft geschlagen hat.
Zu seinem Gedenken hat die Post der Republik China am 10. Dezember 1992 eine Briefmarke mit seinem Porträt und der Aufschrift "400th Anniversary of the Birth of Johann Adam Schall von Bell, S. J. 1592-1666" herausgegeben.
Ureinwohner präsentieren ihre Künste
Laut Ergebnis der Volkszählung von 1990 machen die neun größten auf Taiwan siedelnden Eingeborenenstämme mit ihren insgesamt 330 000 Angehörigen 1,7 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Ethnologen vermuten, daß diese Stämme vor etwa fünftausend Jahren aus Austronesien über die Philippinen eingewandert sind. Die Stämme der Atayal, Saisiyat, Bunun, Tsou, Rukai und Paiwan bewohnten einst die fruchtbaren Ebenen im Westen Taiwans, zogen sich aber dann in schwer zugängliche Gebirgsregionen zurück, wohin sie von den neu ankommenden chinesischen Siedlern verdrängt worden waren; die Ami und Puyuma siedeln auf dem östlichen Küstenstreifen, während die Yami auf der 78 km südöstlich vor Taiwan gelegenen Insel Lanyu, (Orchideeninsel) beheimatet sind. Traditionellerweise lebten die Ureinwohner von der Jagd, vom Fischfang sowie von Brandrodung zur Urbarmachung von Ackerland in den kargen Bergen, heutzutage jedoch sind die meisten allmählich zur Landwirtschaft als Lebensunterhalt übergegangen.
Für die Mundarten der Ureinwohner, die sprachliche Verwandtschaft zum Altmalaischen aufweisen, existiert keine Schrift, die Überlieferung erfolgte rein mündlich. Diese ersten Bewohner Taiwans besitzen ein natürliches Talent für Gesang und Tanz, entwickelten aber auch andere bemerkenswerte Fähigkeiten, beispielsweise auf den Gebieten der Holzschnitzerei, Töpferei, Web- und Stickkunst sowie Sport. In den letzten Jahren wanderten jedoch ob der schlechten Ausbildungs- und Verdienstmöglichkeiten in den abgelegenen Siedlungsräumen schätzungsweise achtzigtausend Stammesangehörige in die Städte ab, um dort Arbeit zu suchen; so ist zu befürchten, daß die Tendenz zum Verlust der ursprünglichen Traditionen dieser Bevölkerungsgruppe immer stärker wird.
Zur sozialen Unterstützung und Bewahrung der Kultur dieser frühesten Einwohner führt die Regierung verschiedene Programme und Aktivitäten durch. Ein Beispiel hierfür war die "Volkskunstveranstaltung der Ureinwohnr" am 22. November letzten Jahres, bei der ihre besonderen Fähigkeiten und Brauchtümer dargestellt wurden. Das Ereignis, das auf dem großen Platz des Chiang-Kai-shek-Gedächtnisparks in Taipei stattfand, erfolgte auf Initiative des Innenministeriums und sollte den Zuschauern die altüberlieferte Kultur Taiwans nahebringen sowie zur Harmonie im gesellschaftlichen Zusammenleben beitragen. Dazu führten die Ureinwohnervereinigungen aus dem Gebiet Taipei erstmals gemeinsam ihren "Tanz für reiche Ernte" auf; diese von den Stämmen jedes Jahr im August oder September praktizierten religiösen Tänze sind ein lebendiger Ausdruck des Feierns einer erfolgreichen Landwirtschaftssaison. Vertreter der Paiwan ließen traditionelle Lieder erklingen; außer für seine Gesangskünste ist dieser Stamm auch für seine prachtvollen Kleiderstickereien bekannt. - Um das Spektrum der an der Veranstaltung teilnehmenden Gruppen auszudehnen und der modernen Anschauung einer pluralistischen Kulturauffassung zu entsprechen, waren bei dem Brauchtumsnachmittag auch Schülergruppen aus der Grundschule Luchou (Landkreis Taipei) präsent, welche die traditionellen Volkssportarten Seilspringen, Federballkicken und Windradspiel wetteifernd vorführten. Weiterhin kamen aus verschiedenen Dörfern zusammengestellte Stierkampftruppen, die in spannender Weise die rurale Tradition des Stierkampfs schauspielerisch darstellten. - Als besondere Leistung der Volksstämme Taiwans gelten ihre herausragenden Erfolge im Baseballsport. Die professionellen Baseballteams der Ureinwohner haben in den Spielen der letzten Jahre exzellente Ergebnisse verzeichnen können; so war denn der bekannte Pitcher Chen Yi-hsin mit dreizehn weiteren Baseballern als besondere Gäste zugegen, was beim Publikum Begeisterung auslöste. Diese verdienstvollen Sportler stellen für den talentierten, lernwilligen Nachwuchs der Ureinwohner ein gutes Vorbild dar und tragen außerdem dazu bei, das Image der Ureinwohner in der Gesellschaft aufzuwerten.
Internationaler Marathonlauf
Wer glaubt, daß Autobahnen nur für Autos gedacht sind, hat sich getäuscht. Auf einem Teilstück der zweiten Nordautobahn Taiwans, die ein Projekt des Nationalen Sechsjahres-Entwicklungsplans ist, starteten am 12. November um die 10 000 Läufer aus 24 Ländern zum "Taipeier Internationalen Express-Marathon 1992". Der Veranstalter, die Track and Field Association der Republik China, sagte aus, es sei das erste Mal, daß ein Marathon über die gesamte Distanz auf einer Autobahn gelaufen worden sei. Der Wettkampf, der 1986 eingeführt worden war, mußte in den vergangenen drei Jahren ausfallen, da wegen der Bauarbeiten an der Stadtbahn in Taipei keine geeignete Laufstrecke zur Verfügung stand. Im letzten Jahr jedoch stellte der Wettkampf, zu dem Premierminister Hau Pei-tsun den Startschuß abfeuerte, gleichzeitig auch eine Art Einweihungsfeier für die Nordautobahn dar, die von Shulin im Landkreis Taipei südlich nach Lungtan im Landkreis Taoyuan führt und Anfang dieses Jahres fertiggestellt werden soll.
Von den circa 1300 Athleten, die sich für die gesamte Marathondistanz (42,195 km) gemeldet hatten - die übrigen Teilnehmer starteten nur über 10 Kilometer -, lief Joseph Skosana aus Südafrika bei den Männern nach 2 Stunden, 14 Minuten und 43 Sekunden als erster über die Ziellinie und konnte die Goldmedaille und 15 000 US$ entgegennehmen. Bei den Frauen gewann die Ungarin Agota Farkas in einer Zeit von 2:39:20 den Wettkampf sowie ein Preisgeld von 5000 US$. Taiwans Athletin Su Tzu-ning brach den einheimischen Rekord, als sie nach 2 Stunden, 49 Minuten und 19 Sekunden als sechste durch Ziel lief.
Zum ersten Mal waren in diesem Jahr auch Rollstuhlfahrer bei dem Ereignis dabei. Zwanzig einheimische Teilnehmer hatten sich gemeldet, von denen Weng Yu-yu (l:58:13) bei den Männern und Lin Shu-chuan (2:11:02) bei den Frauen den ersten Preis gewannen.